Die Kinder im Wind

"Und in der Stille eines vergessenen Tages reihte er sich ein." Wird hineingeboren in eine Welt der Lieblosigkeit. Wagner. Der Name eines Kindes, das keiner haben will. Das seinen Weg aus der familiären Kälte hinaus in den Herbstwald geht, durch lichtes Blättergewirr, um in einem alten Zug zu stranden. An einem Ort, an dem viele Kinder stranden, deren Leben von Gewalt geprägt ist. Nach und nach öffnen sich die Geschichten dieser Kinder aus verschiedenen Zeiten wie Erinnerungsalben. Fotografien dokumentieren ein halbes Jahrhundert erwachsene Gewalt und kindliche Traumata. Da sind sie, geschlagen und verlassen; aufgezehrt vom bittersüssen Nebel der Opiumpfeife; mit kahlgeschorenem Kopf auf dem Weg durch den nationalsozialistischen Winter. Dazwischen Schwäne, die ihre Schwingen ausbreiten und den Weg in eine bessere Welt weisen.

Graues Grauen in Bildern, die wie ein Tritt in den Magen schmerzen. Weisse Blüten und Eiskristalle dämpfen die Intensität der Beklemmung; die durch digitale Modellierung der Figuren erreichte Wirklichkeit lässt den Atem stocken. Durchbrochen wird sie allein von farbigen Aufschreien der Entschlossenheit. Aufstehen! Weitergehen! Während die gewaltigen Bildwelten des Künstlers getreu dem Naturalismus die Hässlichkeit des Lebens offenbaren, wendet er sich inhaltlich vom naturalistischen Gedanken der Determination durch Milieu und Vererbung ab und zeigt ein Bild misshandelter Individuen, die sich dem Kampf stellen, der Resignation Einhalt gebieten. Die alte Lok wird zum Symbol der Hoffnung und Weiterentwicklung. Und schlussendlich fügt sich der Anfang der Geschichte ans Ende, und es scheint, als gäbe es auf der anderen Seite der Brücke einen Ort jenseits menschlicher Abgründe. Irritierend, provozierend, hart und dennoch sanft. Ein Buch, das die Erschaffer idealisierter Welten und idyllischer Kindheiten Lügner schimpft und mit voller Wucht vorführt, was allzu oft Alltag ist. Gewaltig. Andrea Eichenberger

Titel Die Kinder im Wind
Autor:innen Steinhöfel, Dirk
Kollation Geb., farb. illustr., unpag.
Verlag, Jahr Thienemann , 2013
ISBN 978-3-522-20190-2
Kategorie Bilderbuch
Schlagwort Gewalt / Psychologisches
Bewertung
Rezension publiziert 20.02.2014