Gundermann ist eine Pflanze, zu der sich früher Menschen gesetzt haben sollen, wenn sie Kummer hatten. Diesen Gundermann wählt die dreizehnjährige Flasche – so nennen sie die anderen in der Schule – als Briefadressaten aus. Sie schreibt ihm vom schmerzhaften Verlust ihres Vaters, vom Dunst aus Trauer und Angst, der sie umgibt, von ihrer Liebe zu Geschichten und Wörtern und von ihrer Sehnsucht, das Leben wieder lieben zu können. Und wie diese Sehnsucht sie zu Menschen führt, die ihr aufzeigen, dass loslassen sich auf Neues einlassen bedeuten kann.
Flasche überzeugt als ein vom Leben verwirrtes, geprüftes, von Zweifeln geplagtes Mädchen in der Adoleszenz. Ihre Entwicklung folgt keiner geraden Linie, vielmehr verläuft sie realitätsnah im Zickzack und manchmal auch rückwärts. Dieses zähe Tempo heisst es auszuhalten; dafür wird man mit einer literarischen Figur beschenkt, die trotz ihrer Gefühlsschwankungen stets konsistent und damit glaubwürdig bleibt. Bemerkenswerte Trauerverarbeitung. Marcella Danelli