Im Mittelpunkt steht Bellwidder Rückwälzer: ein Schaf, das allein lebt und die Zeit mit sich selbst in vollen Zügen geniesst, bis ihm eines Tages die Beeren ausgehen und es gezwungen ist, im Wald neue zu pflücken. Obwohl Bellwidder Wölfe liebt, hat er Angst vor ihnen, weil sie ihm auflauern und ihn jeden Moment zerfleischen könnten. In seiner Angst kommt ihm eine geniale Idee: Er näht, bastelt und modelt sich in einen echten Wolf um, was seine Identität völlig auf den Kopf zu stellen scheint: «Und anstatt er selbst / war er jemand anders.»
Die Doppelseite, die mit diesem Zitat den Identitätswechsel zum Ausgangspunkt nimmt, illustriert Bellwidders äussere und innere Verwandlung. Das Titelbild ist nicht nur passend, sondern auch wegweisend, denn seit er den Wolfspelz «erfunden hat», wie es im Original steht, trägt er eine Maske, die es den anderen Wölfen verunmöglicht, ihn zu erkennen. Der Erfolg lässt – ironischerweise – nicht lange auf sich warten und er wird in die gefrässige Wolfsgang aufgenommen. Im Interview erklärt Sid Sharp auf die Frage nach der Maltechnik, dass alle Bilder von Hand gezeichnet und nur digital retuschiert wurden. Auffallend an den Illustrationen sind die kräftigen Farben, die Details über das Wohlbefinden und starken Emotionen zeigen, sowie die meisterhaften Grimassen, die gezogen werden. Wenn die Wölfe das Maul aufreissen, ist das so bildgewaltig, dass es eine körperliche Reaktion auslöst und einen umhaut. Die Frage der Angst, die mit Identität verknüpft wird, löst sich am Ende nicht ganz auf, und darauf ist Sid Sharp stolz, denn es darf vage bleiben. Fluid bleibt auch das Genre, zwischen Comic und Gothic Novel changierend. Es sind Andeutungen, Brüche, spannende Widersprüche und Ungereimtheiten, die zu einer Relektüre einladen. Sie offenbaren die «fragile Macht» des Wolfspelzes, wie Sid Sharp es treffend formuliert. Ornamental verspielt und mit experimentellem Reiz wird die überwucherte Natur dargestellt, die mit der Überwindung der Angst korrespondiert. Alexia Panagiotidis
