Das Tal, in dem Jona und Mona mit ihren Eltern die Sommerferien verbringen, ist voller merkwürdiger Steine: Sie sehen aus wie ein Frosch, eine Eule oder eine Echse. Am liebsten klettern die Kinder auf einen Felsen, der einem Kamel ähnelt, oder sie türmen am Bergbach Steine zu eigenen Figuren auf. Seltsam, dass während eines heftigen Gewitters der Kamelfelsen völlig trocken bleibt und die Geschwister am Ende eines Regenbogens eine römische Münze finden. Haben diese Ereignisse mit dem Kometen zu tun, der sich der Erde nähert und von dem ihnen der Senn Samuel erzählt hat? In der Nacht, in welcher der Komet am stärksten leuchtet, wird der Kamelfelsen lebendig. Das Tier trägt die beiden Kinder durch eine Wüste in eine ferne Stadt. Dort erleben sie die Geburt Jesu und eine turbulente, keineswegs stille Nacht.
„Wie eine Mauer Risse haben kann, hat auch die Zeit Risse, Spalten. Ab und zu aber öffnet sich ein solcher Zeitspalt ... “ So einfach erklärt der alte Samuel Vorkommnisse auf der Alp, für die es keine rationale Erklärung gibt. Fliessend und nahtlos verläuft in Franz Hohlers mit feinem Humor erzählter Geschichte auch die Grenze zwischen dem Ferienort in den Bergen, der Fantasiewelt spielender Kinder und dem Nahen Osten vor mehr als 2000 Jahren. Der Autor erzählt so stimmig und anschaulich, dass die Lesenden von seiner Fabulierlust angesteckt und ganz selbstverständlich mitgetragen werden. Selbst die im letzten Kapitel erwähnte eigenartige Veränderung auf dem Gemälde eines alten holländischen Meisters (in der Darstellung der Geburt Jesu sind weitere Figuren aufgetaucht!) leuchtet deshalb ein. Auf Kathrin Schärers ausdrucksstarken, die Fantasie zusätzlich beflügelnden Zeichnungen wird die Bergwelt mit Senn, Schweinen und Murmeltieren ebenso lebendig wie die Heilige Familie, die Könige und Kamele in Bethlehem. Ganz im Sinne des unvergleichlichen Geschichtenerfinders verlockt das Buch zu eigenem Fabulieren: Was wäre wohl passiert, wenn zuerst ein anderes Steintier zum Leben erwacht wäre? Doris Lanz