Beinahe bereut Samuel, Honkong verlassen zu haben. Sein Traum von Europa entpuppt sich als Albtraum. Die alte Welt ist im Ausnahmezustand, ein Kontinent vor dem Kollaps. Und Samuel mittendrin. Eine Protestbewegung lässt Finanzmärkte zusammenbrechen, Hackerangriffe sorgen für Chaos, und als wäre das nicht genug, findet sich der Sohn eines genialen Mathematikers auf der Suche nach festem Boden unter den Füssen in der Blutlache eines Mordopfers wieder. Langsam reihen sich Nullen an Einsen, und Samuel erkennt, dass hinter seinem ganz persönlichen Höllenritt ein weitaus grösserer Plan steckt.
Die überzeugend aufgebaute und zum Nachdenken anregende Idee dieses Umsturzszenarios packt das Publikum vom ersten Wort an. Stilistisch und sprachlich toll liest sich die meist rasante Geschichte in einem Zug. Leider behindert die Absatzgestaltung primär zu Beginn des Buches den Lesefluss. Die unvorteilhafte Einteilung lässt den Perspektivenwechsel untergehen und erschwert die Zuordnung zum jeweiligen Handlungsstrang. Die Dystopie wartet mit vielen bekannten Kritikpunkten am heutigen System auf, macht Grund, Beginn und Ziel der Revolution deutlich, zeigt allerdings kaum Lösungsansätze auf. "Phase drei", der eigentliche Wechsel, wird lediglich eingeläutet; das Ende bleibt offen. Für eine mögliche Fortsetzung ist somit reichlich Potenzial vorhanden. Trotz tollem Grundgedanken und kurzweiligem Lesegenuss vermag die Umsetzung nicht vollends zu überzeugen. Keiner der Protagonisten fesselt gänzlich. Sowohl Aufständische wie auch deren Mittel und die Auswirkungen der Revolte auf das alltägliche Leben hätten noch mehr hergegeben. Dennoch spannende Unterhaltung die Denkanstösse gibt und zu Diskussionen anregt. Andrea Eichenberger