Verwandlungen

"85.70!", wiederholt Herr Kauer. Wo ist nur die Hunderternote, die Papi Marco mitgegeben hat? Er muss sie auf dem Spielplatz verloren haben, als er mit Pawel Murmeln spielte, statt direkt zum Laden zu fahren. Dabei wollte er doch Papi stolz und glücklich machen! Denn wenn Papi glücklich ist, dann ist er nicht verwandelt, und dann bleibt er nicht im Bett. "Marco stellt sich manchmal vor, dass die Traurigkeit Papi wie ein böses Tier von hinten befällt, sich in seinen Hals beisst und das Gift in seinen Körper abgibt." Als Marco daheim ankommt, ist Papi schon im Bett. Er hat sich verwandelt, noch bevor er vom verlorenen Geld wusste. Mami sagt, es sei nicht Marcos Schuld. Doch vielleicht wäre Papi nicht traurig, wenn er schneller vom Einkaufen zurückgekommen wäre?

Schuld am Glück oder Unglück der Eltern zu tragen, die Verantwortung dafür zu übernehmen, ob sie sich verwandeln oder nicht, sie davon abzuhalten, zu trinken und komisch zu werden, sie retten, sie vor sich selbst beschützen zu wollen – das haben die Kinder der sechs Kurzgeschichten dieses kleinen, grossen Buches gemein. Einfühlsam und authentisch nimmt es junge Lesende an der Hand und erzählt ohne zu werten oder zu verurteilen aus dem Leben alkoholbelasteter Familien. Alltägliche Situationen, in kleinen Geschichten für ein breites Publikum aufbereitet, sensibilisieren und führen behutsam an ein schwieriges Thema heran. Respekt- und würdevoll geben die Autorinnen den Kindern und Jugendlichen ein Gesicht und überzeugen mit ihrer Arbeit vollumfänglich. Sanfte Illustrationen in gedämpften Farben unterstreichen Hilflosigkeit und Tragik. Betroffene Kinder werden am Ende des Buches direkt angesprochen und erhalten Telefonnummer und Webadressen, die anonyme Hilfe anbieten. Ein Buch von kinder-im-gespräch.ch, das tief zu berühren vermag und bei dessen Lektüre Kinder ab acht Jahren begleitet werden sollten. Andrea Eicheberger

Titel Verwandlungen
Kollation Geb., farb. illustr., 63 S.
ISBN 978-3-033-04141-7
Kategorie Belletristik
Schlagwort Krankheit / Sucht
Alter ab 7
Bewertung
Rezension publiziert 08.12.2014